Christine Koch Mundartarchiv
am DampfLandLeute-MUSEUM ESLOHE

  

  

 

 

Berichte & Rezensionen



Veröffentlichungen des "Mundartarchiv Sauerland"

Beckmann, Werner u.a.: Imme Siuerlanne. Plattdeutsch, lebende Sprache im Sauerland in Geschichte und Gegenwart. Hg. Mundartarchiv Sauerland e.V. Meschede und Olpe: Selbstverlag d. Hg. 2009. [479S.; Lektorat Klaus Droste; Fotolayout Thomas Feldmann] ISBN 978-3-9802697-7-3

Mundartarchiv Sauerland (Hg.): Op Platt. Texte aus den Kreisen Hochsauerland und Olpe. = Mundarten im Sauerland. Heft & CD 1-8. Meschede/Olpe 2004-2010. [Tonaufnahmen & Textübertragungen: Dr. Werner Beckmann; Redaktion: Klaus Droste] ISSN 1612-3328

Zu den Pionieren der Tondokumentation von Mundarten im kölnischen Sauerland gehört der ehemalige Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Strothmann (†1998) mit etwa 15 Aufzeichnungen um 1980 im Hochsauerland. Eine systematische Bearbeitung des Feldes erfolgte jedoch erst zwei Jahrzehnte später durch das Projekt „Mundarten im Sauerland“ und die nachfolgende Gründung des „Mundartarchiv Sauerland“. Das eng gewordene Zeitfenster wurde in diesem Zusammenhang intensiv genutzt. Dr. Werner Beckmann, der wissenschaftliche Mitarbeiter, hat seit 1999 allein für den Bereich der Kreise Olpe und Hochsauerland Toninterviews mit 267 Mundartsprechern aus 129 verschiedenen Herkunftsorten durchgeführt (weitere Aufnahmen für andere sauerländische bzw. südwestfälische Orte kommen hinzu). Diese Interviews im fließenden Gespräch vermitteln uns die lebendige Sprechsprache, was die Mundartliteratur (nicht allein wegen des fehlenden Tons) so keineswegs vermag. Sie dokumentieren außerdem nicht nur die jeweils ganz spezifischen Lokalmundarten, sondern ermöglichen wegen ihrer vorbildlichen Anlage z.B. auch Erkundungen zu Sprachgeschichte, Zeitgeschichte, religiösen oder kulturellen Traditionen und Leutealltag. Zum kleineren Teil ist dieser großartige Fundus bereits veröffentlicht worden über die Textanthologie „Imme Siuerlanne“ (hier wärmstens empfohlen!) und die CD-Heftreihe „Op Platt - Texte aus den Kreisen Hochsauerland und Olpe“. Für die in Fortsetzung erscheinende CD-Hörbuchreihe werden zukünftige Generationen einmal dankbar sein, wenn am Ort der letzte Mundartsprecher gestorben ist. Bislang liegen folgende Ausgaben vor:

  1. Vortragsabend 15. März 2001 Winterberg-Züschen.

  2. Vortragsabend 19. März 2001 Lennestadt-Langenei.

  3. Vortragsabend am 14. Mai 2001 in Brilon.

  4. Vortragsabend 15. Oktober 2001 Meschede.

  5. Vortragsabend 12. November 2001 Sundern-Endorf [Druck in Vorbereitung für 2010]

  6. Interview mit Hilde Beckmann aus Meschede-Remblinghausen am 12. November 1999.

  7. Interview mit Elisabeth Kaiser aus Oberhundem-Selbecke, Gemeinde Kirchhundem am 24. Juni 1999.

  8. Hörbuch Elisabeth Kaiser (1919-2009). Ortsmundart Oberhundem, Gemeinde Kirchhundem.

Zu den Veröffentlichungen des „Mundartarchiv Sauerland“ zählen außerdem zwei Arbeitshefte für „Plattdeutsch in der Schule“. Bestellanschrift für alle genannten Publikationen: Mundartarchiv Sauerland. c./o. Stertschultenhof, Olper Str. 3, 59889 Eslohe-Cobbenrode. [P.B.]



Märkisches Liederbuch "Lao’ve singen" (2009)

Lao’ve singen. Plattdeutsches Liedgut im südlichen Westfalen. Bearb. Horst Ludwigsen [Gesamtredaktion] u. Wilhelm Bleicher. Hg. Heimatbund Märkischer Kreis e.V. Altena: Verlag Heimatbund Märkischer Kreis 2009. [kartoniert; mit Noten für Gitarre und Klavier; Preis: 19,80 Euro] Bestell-Liste im Internet.

Im jüngeren musikalischen Leben der Plattdeutschen des Märkischen Kreisheimatbundes ragen die Mundartautoren Walter Höher (über 50 eigene Vertonungen) und Dr. Horst Ludwigsen hervor. Ludwigsen hat nun 2009 den 516 Seiten umfassenden Band „Lao’ve singen“ zum „Plattdeutschen Liedgut im südlichen Westfalen“ vorgelegt. Für das Werk machte er sich eigenes mit einem Computerprogramm für Tonsätze vertraut. Dr. Wilhelm Bleicher übernahm das Lektorat und steuerte eine geschichtliche Einführung bei. Zur Auswahl der 190 Titel gehören auch Leuteguttexte und ein sehr altes niederdeutsches „Sanctus“ (Neuenrade 1564). Die jahrzehntelange Singpraxis in den plattdeutschen Arbeitskreisen der Region, auf welche neben dieser imponierenden märkisch-sauerländischen Dokumentation einige örtliche Liederhefte verweisen, kann wegen der meist fehlenden Archivierung von Liedblättern etc. nach Auflösung vieler Vereine vermutlich im Ganzen nur grob erhellt werden. Umso dankbarer sollte dieses Werk aufgenommen werden, das altes wie neues Liedgut und Musiker aus vielen Orten des märkischen Sauerlandes berücksichtigt. Wer die Plattdeutschen nur für Ewiggestrige hält, der höre sich einmal die folgende Zeile aus einer Heimatliedparodie an: „Bo de mäisten Stemmen kräig En-Es-De-Aa-Pee, / Dao es mine Häimat, Ach, Herrjeeminee!!“ (S. 37) Aus der Werkstatt von Ludwigsen stammen auch antirassistische Lieder wie „Min Frönnd Hans“ oder „Rassenstolt“. Dergleichen hätten wir gerne schon früher gehört, als Plattdeutsch vor Ort noch in vielen Mündern war. Es bleibt freilich auch nach dieser ungewöhnlichen Publikation dabei: Eine populäre Mundartmusik mit Breitenwirkung, die zum regionalen Kulturgedächtnis der plattdeutschen Sprache beitragen könnte, gibt es gegenwärtig im ganzen Sauerland nicht. [P.B.]



Tondokumentation Mundarten Märkischer Kreis (2008)

Höher, Walter (Bearb.): Plattdeutsch hören - Hochdeutsch mitlesen. Mundarten im Märkischen Kreis und in den angrenzenden Gebieten. 50 Jahre plattdeutsche Aufnahmen. Eine CD-Dokumentation in Platt, übersetzt und gedruckt in Hochdeutsch. Bd. 1-3. (Veröffentlichungen des Heimatbundes Märkischer Kreis). Altena: Märkischer Kreis 2008. [3 Begleitbücher; 20 CDs; Komplettpreis: 20,- Euro] Internet Vorstellung. 

Das Tonprojekt „Mundarten im Märkischen Kreis und in den angrenzenden Gebieten“ wurde maßgeblich (und ehrenamtlich) durchgeführt von Walter Höher und 2008 abgeschlossen. Es erfolgte auf der Grundlage einer Einteilung in sechs Sprachregionen. Aus dem Bereich des ehemals „kölnischen Sauerlandes“ wurden die Gebiete Menden und Balve berücksichtigt. Der benutzte Materialfundus (Aufnahmen 1957-2007) ist zum Großteil schon zwei Jahrzehnte vor Abschluß des Projektes vom Niederdeutschen Arbeitskreis im märkischen Heimatbund gemeinsam zusammengetragen worden. Die dreiteilige Veröffentlichung „Plattdeutsch hören - Hochdeutsch mitlesen“ umfaßt als Tondokumentation insgesamt 20 CD-Tonträger [!] und zu jedem Teil ein Begleitringbuch mit Einführung und hochdeutschen Verstehenshilfen. In vorbildlicher Weise wurde auch auf ältere Aufnahmen zurückgegriffen (Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas; Kommission für Mundart- und Namenforschung Westfalens). Insgesamt kommen 140 Vortragende zu Wort. Dieses Medienpaket kann beim Heimatbund Märkischer Kreis bestellt werden. Nicht nur wegen des wirklich kulturfreundlichen Preises sollten Sprachforscher und Freunde der Sauerländer Mundart die Gelegenheit wahrnehmen. [P.B.]



Leuteleben (2007)

Leuteleben und „plattdeutsches Leutegut“ im Sauerland. Über ein Projekt aus dem Mundartarchiv des Esloher Museums. Von Peter Bürger, In: Sauerland Heft 1/2007, S. 43f. – Nachzulesen im Online-Archiv. 



"Un bey allem is wuat"
Eine literaturpädagogische Forschungsarbeit von Willy Knoppe untersucht die Mundartgedichte Christine Kochs (2005)

Willy Knoppe: Un bey allem is wuat: Orientierungssuche in einer regionalen Sprachform – Eine literaturpädagogische Untersuchung zu den Wertehaltungen in der niederdeutschen Lyrik von Christine Koch. Hrsg. Westfälisches Schieferbergbau- und Heimatmuseum Schmallenberg-Holthausen (Beiträge XV). Göttingen: Cuvillier Verlag 2005. (469 Seiten) ISBN 3-86537-494-8

Eine fast 500 Seiten umfassende Doktorarbeit über Christine Kochs plattdeutsche Gedichte ist in diesem Jahr erschienen. Der Autor Willy Knoppe, Gymnasiallehrer in Werl, führt seine Untersuchung auf der Grundlage der vierbändigen Esloher Werkausgabe und des Christine-Koch-Fundus im Maschinen- und Heimatmuseum Eslohe durch. Als Herausgeber der gedruckten Studie tritt andererseits das Westfälische Schieferbergbau- und Heimatmuseum Holthausen in Erscheinung. Damit ist ein denkbar glücklicher Schlußstrich unter den Editionsstreit zwischen „Holthausen“ und „Eslohe“ im Jahre 1992 gesetzt.

Knoppe will ermitteln, ob und wie Christine Kochs Werk heute in Schule oder Erwachsenenbildung berücksichtigt werden kann. Dabei möchte er – mit Blick auf die schon von Siegfried Kessemeier konstatierten Niveauschwankungen – einen Kanon von Mundartgedichten in den Mittelpunkt rücken, der wirklich „Literatur“ und nicht bloß „Heimatkunst“ ist. „Literatur“ erscheint ihm auch als geeignetes Medium, über das heute in unserer Region ein Zugang zur Mundart überhaupt noch eröffnet werden kann. Für seine formale und inhaltliche Untersuchung der Koch-Gedichte, die als ganz neuer Beitrag die Forschung bereichert, bietet der Germanist mit einer umfangreichen Stichwortkonkordanz zu den „Bildfeldern“ der Mundartlyrik ein unersetzliches Instrumentarium an.

Zentral für das erziehungswissenschaftliche Erkenntnisinteresse ist bei Knoppe der Blick auf Wertehaltungen. Einerseits steht Christine Koch in der Tradition eines idealisierenden Sauerlandbildes, die Friedrich Wilhelm Grimme im 19. Jahrhundert begründet hat. Andererseits entziehen sich nennenswerte Werkteile der Lyrik einem selbstzufriedenen Heimatbild und realisieren Joseph Papes Programm einer ernsthaften Mundartdichtung für das Sauerland. Die dörfliche Welt birgt Kinderparadies und Sinngewißheit. Doch sie kann auch Enge bedeuten, zumal dort, wo die Dichtkunst als Gegensatz zur bäuerlichen Lebensweise aufgefaßt wird. Den tausend Wundern der nahen Landschaft steht der „Sinn im Widerspruch“ gegenüber. In nicht wenigen Gedichten wird ein Leiden an der Welt und – implizit – auch am eigenen Geschick sichtbar. Die Glocken der Dorfkapellen erreichen nicht nur einen „religiös“ noch intakten Kleinraum. In ihre Klangwellen mischen sich Hartherzigkeit gegenüber ausgegrenzten Minderheiten, Gestrauchelten und Gescheiterten oder Intoleranz gegenüber Außenseitern und Fremden. Das Ethos des Mitfühlens und der Verantwortung gewinnt in manchen Gedichten auch ökologische Bedeutsamkeit.

Auf eine eindeutige – sachlich wohl auch kaum zu rechtfertigende – literaturgeschichtliche Einordnung wird verzichtet. Christine Koch greift romantische Motive auf und verklärt ihre Lebenswelt, doch sie ist deshalb noch keine Romantikerin. In vielem, so Knoppe, steht sie dem „Realismus“ der späten Droste näher als dem biedermeierlichen Grimme.

Knoppe erweitert mit seinen zahlreichen und gründlichen Textanalysen vorhandene Deutungsansätze. Am Ende will er kein ganz neues „Christine-Koch-Bild“ vorlegen. Mit Exkursen zeigt er auf, wie eng Christine Koch mit einigen hochdeutschen Dichtungen der gemäßigten (katholischen) Frauenbewegung ihrer Zeit verbunden ist.

Besonders erfreut hat den Rezensenten, daß diese erste umfangreiche germanistische Studie über Christine Koch die durch das Esloher Archiv erschlossenen unbequemen Befunde berücksichtigt und kritische Rezeptionsansätze vertieft. Das betrifft in erster Linie Berührungspunkte zur westfälischen Stammesideologie und jenen Tribut, den Christine Koch vor allem über „Gelegenheitsgedichte“ an den Zeitgeist des sogenannten „Dritten Reiches“ entrichtet hat.

Zu empfehlen ist das wissenschaftliche Werk vielleicht nicht solchen Lesern, die kurzweilige Heimatlektüre suchen. Unersetzlich aber ist die Arbeit für alle Christine-Koch-Forschenden und für Lehrer, denen an einer Vermittlung regionaler Mundartliteratur in der Schule gelegen ist.

Peter Bürger (aus: Esloher Museumsnachrichten 2006)


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